Mai 2015 / Statement Dr. Lothar Koniarski zur Vergabe der Deutschlandstipendien an der Universität Regensburg
„Eine nachhaltige Hochschul- und Begabtenförderung ist dringend geboten“
Die Zahl der Erstsemester ist allerdings um 1,9 Prozent auf 498.000 gesunken. Die Rekordmarke von mehr als einer halben Million aus dem Jahr 2011, als in Bayern und Niedersachsen zwei Abitur-Jahrgänge gleichzeitig an die Unis drängten und zudem die Wehrpflicht entfiel, ist wohl endgültig Vergangenheit. Sowohl die Projektionen der Kulturministerkonferenz als auch des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie in Berlin (Fibs) zeigen stetig fallende Kurven an – obwohl die Quote der Jugendlichen mit Abitur ebenso steigt wie jene der angehenden Akademiker.
Der scheinbare Widerspruch ist schnell aufgelöst: Hier überlagern sich zwei elementare Trends. Denn wir leben nicht nur in einer Wissensgesellschaft mit wachsenden Anforderungen an die Qualifikation, sondern auch in einer „Republik der Hochbetagten“, wie es kürzlich eine bayerische Tageszeitung auf den Punkt brachte.
Schon heute übertrifft die Zahl der 50- bis 60jährigen in Deutschland jene der 18- bis 20jährigen deutlich. Im Jahr 2060 soll sogar die Zahl der 60- bis 80jährigen überwiegen. Die aus der Balance geratene Alterspyramide ist kaum noch durch einen wenig wahrscheinlichen Baby-Boom, sondern allenfalls durch eine vernünftige Migrations- und Integrationspolitik halbwegs zu stabilisieren.
In diesem Szenario ist das gemeinsame Engagement aller hier im Saal – als Studierende, Lehrende und Förderer – wichtiger denn je.
Vielleicht gelingt es uns ja mit den Deutschlandstipendien für besonders talentierte und motivierte Köpfe doch noch, endlich jene Stifterkultur auszuprägen, die an angloamerikanischen Hochschulen vieles möglich macht. Speziell das Prinzip, dass sich der Staat bei den Deutschlandstipendien nicht aus der Verantwortung stiehlt, sondern mit jeder privaten Zusage selbst in die (Zahlungs-) Pflicht nimmt, könnte latente Vorbehalte entkräften.
Eine nachhaltige Hochschul- und Begabtenförderung ist nicht nur aus den bereits genannten Gründen dringend geboten: Auch unsere Position als Exportnation - und damit unseren Wohlstand - werden wir als vergleichsweise kleiner „Player“ im Wettbewerb mit riesigen, kostengünstig produzierenden Schwellenländern wie China oder Indien nur wahren, wenn wir unsere wertvollste Ressource effizienter nutzen: den Rohstoff Wissen.
In immer mehr Wirtschaftszweigen zeichnet sich schon ein Mangel an hochqualifizierten Fach- und Führungskräften ab. Wir können es uns deshalb auch – um ein weiteres Phänomen anzusprechen – schlicht nicht länger leisten, dass fast 30 Prozent ihr Studium abbrechen, also unser Hochschulsystem ohne Abschluss wieder verlassen: Weil sie sich beruflich falsch orientiert haben, frustriert in überfüllten Hörsälen chronisch unterfinanzierter Hochschulen wiederfinden, objektiv oder auch nur subjektiv überfordert sehen… Hier muss schon weit vor dem Übergang vom Gymnasium an die Uni eine bessere Berufsberatung stattfinden. Wobei nicht zuletzt Praktiker aus der Wirtschaft gefragt sind.
Angesichts dieser Probleme mehr freue ich mich über die weiter gewachsene Zahl von 88 Deutschlandstipendiaten im zunehmend durch innovative Technologien und Dienstleistungen geprägten Wirtschaftsraum Regensburg. Zumal mit der individuellen Unterstützung nicht nur besondere Leistungen auf wissenschaftlicher Ebene, sondern auch ein vorbildlicher persönlicher Einsatz für das Gemeinwesen anerkannt wird. Schließlich stellen eine fundierte Bildung ebenso wie gesellschaftliche bzw. soziale Beiträge – losgelöst von allen wirtschaftlichen Erwägungen – hohe Werte für sich dar.
So verstehen wir auch die Mitwirkung unseres Unternehmens: Der Gründer unserer Immobiliengruppe, Dr. Johann Vielberth, hat sich trotz seiner Arbeitsbelastung als Entwickler von Einkaufszentren, Business Parks oder Rastanlagen persönlich und finanziell stark dafür engagiert, seiner Heimatregion etwas zurückzugeben und sie für den Wettbewerb der Standorte fit zu machen.
Nach dem erfolgreichen Aufbau des Donau-Einkaufszentrums sowie des Gewerbeparks in Regensburg und anderer komplexer Projekte konzipierte er in den 1990er Jahren die Regensburger Universitätsstiftung. Sie dient heute als organisatorische Plattform für 15 verbundene Stiftungen zugunsten der Forschung und Lehre. Schwerpunkte liegen beim akademischen Austausch und der Verankerung der International Real Estate Business School an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.
Auch das nach ihm benannte und mit dem Deutschen Hochschulbaupreis prämierte Gebäude, in dem wir uns heute austauschen, war nur realisierbar, weil Zuschüsse aus privater Hand der Universität den Zugriff auf Bundesmittel ermöglichten.
Diese Stiftungstradition schreiben wir aus Überzeugung fort, zumal wir als langfristig denkende Immobilien- und Managementgesellschaft den Wandel der Wirtschaft immer im Blick behalten. Rund 850 Unternehmen mit fast 20.000 Beschäftigten und mehrere Millionen Besucher pro Jahr nutzen unsere Standorte mit permanent auf den immer wieder neuen Bedarf ausgerichteten Raum- und Servicestrukturen. Diese Innovationsprozesse vollziehen sich schneller und tiefgreifender denn je.
Damit die Wissenschaft dafür die Grundlagen schaffen und im Vorgriff das richtige Know-how vermitteln kann, stellten die mit der Regensburger Universitätsstiftung verbundenen Mäzene allein 2014 insgesamt 632.000 Euro für Projekte quer durch die Fakultäten bereit. Bei dieser Mittelvergabe verengen die Stiftungsgremien den Fokus ganz bewusst nicht auf Themen oder Technologien, an denen die Wirtschaft ein spezifisches Interesse hat. Hierfür schnüren wir aus nachvollziehbaren Gründen eigene Programme: So konzentriert sich unsere integrierte Gewerbeplan GmbH mit 60 Architekten und Ingenieuren zusätzlich auf die Förderung der OTH hier auf dem gemeinsamen Campus.
Auch zum positiven Trend der erst 2011 gestarteten Deutschlandstipendien mit aktuell 50.000 Begünstigten wollen wir möglichst kontinuierlich beitragen. Ich hoffe, wir können über den Kreis der schon mehr als 6000 Geldgeber hinaus weitere Unternehmen, Personen oder Institutionen „anstiften“, mit in die wertvollste Ressource zu investieren.
Es ist wohl im Sinne aller Förderer, wenn ich heute jenen, die in Regensburg die ambitionierten Vergabekriterien erfüllt und sich ihre Deutschlandstipendien für vielfältige Fachrichtungen „verdient“ haben, herzlich gratuliere. Wenn Ihr gutes Beispiel Schule macht, müssen wir uns um die Zukunft kaum sorgen…